2. Weltkrieg – aus dem Tagebuch eines Grenzwächters
«Ich war mit meinem Hund bei der Schesaplana auf Patrouille. Es war früh am Morgen und ich hatte gerade die Frühstücksteller abgewaschen, als mein Hund plötzlich bellend wegrannte. Da er nicht
mehr aufhörte zu bellen, schaute ich nach und sah, wie zwei junge Frauen den Berg hinaufstiegen. Es waren zwei Schweizer Lehrerinnen, die ihre Ferien hier verbrachten. «Wir möchten gerne zur
Grenze beim Lüneregg und nach Österreich hinunterschauen», meinten sie. Da meine Tour ohnehin über das Lüneregg nach Golrosa, Schuders und wieder zurück führte, sagte ich, ich käme mit ihnen mit.
Wir stiegen über die Wiesen und Felsen hinauf und die beiden jungen Frauen fragten mich, ob sie nicht den Hang hinuntersteigen und auf der anderen Seite der Grenze Blumen pflücken dürften. Sie
würden gerne zuhause erzählen, dass sie den Deutschen im besetzten Österreich Blumen geklaut hätten. «Ja, ihr könnt schon hinuntergehen, aber sobald ich rufe, müsst ihr sofort zurückkommen!»,
meinte ich und schaute ihnen zu, wie sie den Hang hinunterstiegen. Mit dem Feldstecher überwachte ich die Umgebung und plötzlich sah ich einen deutschen Soldaten in einiger Entfernung. «Ihr müsst
sofort zurückkommen! Es ist einer im Anmarsch!», rief ich. Noch während die beiden Lehrerinnen den Hang hinaufkletterten, erschien neben mir ein zweiter Mann. «Halt!», sagte ich und er erklärte
mir, dass er zwar ein deutscher Soldat, aber eigentlich ein Österreicher sei. Die jungen Frauen, der Soldat und ich verbrachten eine gemütliche Stunde zusammen, genossen die Aussicht und
plauderten über dies und jenes. Nach einer Weile meinte der Soldat jedoch: «So, nun muss ich gehen. Der andere Grenzsoldat da unten ist ein Reichsdeutscher und er mag es bestimmt nicht, wenn er
uns hier so gemütlich beisammen sitzen sieht!» Und uns wurde wieder klar, dass wir uns eigentlich im Krieg befanden.»